Braucht DIE LINKE eine neue, aktive BAG Hartz IV?

Ich gebe vielen Kritikerinnen und Kritikern am Zustand unserer Partei und ihrer daraus resultierenden Müdigkeit in Bezug auf die Partei in weitestem Sinne recht. Ich kann verstehen, dass etliche, im Hartz-Widerstand befindliche Genossinnen und Genossen parteiresigniert ihr Augenmerk auf andere Organisationsformen und Gruppierungen richten wollen und einer Erneuerung, bzw. Wiedererweckung der BAG Hartz IV in und bei der Partei DIE LINKE skeptisch gegenüberstehen. Ja, auch linke Parteistrukturen korrumpieren und auch in der LINKEN spült es die Pöstchenjägerinnen und -jäger unweigerlich nach oben, auch in der LINKEN wird der faustische Pakt, mit teuflischer Hilfe das Himmelreich zu erringen, immer wieder geschlossen und nein, auch diese LINKE wird keinen “neuen Menschen” produzieren. Ich möchte diese Partei aber nicht einfach kampflos aufgeben, das ist meine Motivation! ES GIBT KEINE ANDERE und wenn das Projekt DIE LINKE scheitert, dann werden wir alle auch keine zweite Chance bekommen.

Einzige Alternative zur neoliberalen Einheitspartei

Das linke, auf Gleichheit, vor allem auf Gleichwürdigkeit gegründete Menschenbild, welches in der Erkenntnis gipfelt, dass die Freiheit des Einzelnen an der Freiheit aller anderen hängt, wird wieder in die kleinen Sektengruppen der Unter-Fünf-Prozent-Parteien zurücktropfen, wenn DIE LINKE. aus der politischen Landschaft verschwindet oder gar den Weg ins neoliberale, bürgerliche Lager findet. Unser Parteiprogramm ist ein einmaliges Angebot, der demokratische Sozialismus darin eine reale Vision. Eine Vision, die sich wunderbar mit den Prinzipien des demokratischen Rechtsstaates und den Werten des Grundgesetzes vereinbaren lässt. DIE LINKE als pluralistisch organisierte Nachfolgerin bzw. die Weiterentwicklung von KPD, SED und anderen sozialistischen Parteien und Gruppierungen, die seit 1949 immer verschrien und diskreditiert waren als umstürzlerisch, demokratiefeindlich und gefährlich.Diese LINKE steht heute als einzige Partei im Deutschen Bundestag auf dem Boden des Grundgesetzes. Ablehnung von Krieg als politischem Instrument, Ablehnung der Agenda 2010, die Tatsache, dass DIE LINKE und ihre Vorgängerin PDS nicht einer der Grundgesetzänderungen seit 1990 im Deutschen Bundestag je zustimmte, während das Bundesverfassungsgericht mehr als 130 dort beschlossene Gesetze aufgrund deren Verfassungswidrigkeit wieder kassiert hat, sind die Merkmale des deutlichen Unterschiedes zu der neoliberalen Einheitspartei im Deutschen Bundestag, bestehend aus den Flügeln CDU/CSU, SPD und GRÜNEN. Das ist die historische Chance, die Max Reimann 1949, bei der Einsetzung des Grundgesetzes in dem berühmten Satz erahnt oder besser, vorausgesehen hat: “Wir unterschreiben nicht. Es wird jedoch der Tag kommen, da wir Kommunisten dieses Grundgesetz gegen die verteidigen werden, die es angenommen haben!”. DIE LINKE. steht tatsächlich in der historischen Chance, im Bereich legalen, rechtsstaatlichen politischen Handelns gegen die verfassungswidrig agierenden neoliberalen, bürgerlichen Mitte-Rechts-Parteien vorgehen zu können.

Ist der rote Tiger zahnlos?

Doch die Chance verstreicht ungenutzt. DIE LINKE nimmt die notwendigen Abgrenzungen nicht vor. Sie baut keinen Druck auf, sondern verbleibt im Unbestimmten. “Grundrechte kürzt man nicht!”, heißt es da. Wer ist denn das: “man”? CDU/CSU, SPD und GRÜNE sind Verursacher und Vollzieher des sozialen Unrechts der Agenda 2010. Warum spricht DIE LINKE sie nicht direkt, unter Namensnennung, darauf an und fordert sie auf, den grundgesetzwidrigen Zustand, den sie geschaffen haben und aufrecht erhalten, endlich zu beseitigen und wieder zu den Werten des demokratischen Rechts- und Sozialstaates zurückzukehren? Auch bei dem Problem steigender Mieten eher verhaltene Begriffe. Zahlungsunfähige mittellose und mittelschwache Menschen werden aus ihren Wohnungen, besonders aus denen in den Innenstädten durch exorbitante Mietsteigerungen vertrieben und DIE LINKE nennt das verharmlosend Verdrängung. Verdrängt wird ein Mensch, wenn ihm ein Ort verleidet wird, an dem er trotzdem bleiben könnte, wenn er denn wollte. Der Weggang, eine freie Entscheidung nach Abwägung. Vertrieben, dagegen, wird ein Mensch, wenn er definitiv nicht mehr an dem Ort bleiben kann, an dem er bleiben will, sei es, weil er an Leib und Leben bedroht ist oder eben auch, weil er den Preis für einen rechtmäßigen Aufenthalt dort nicht mehr aufbringen kann. Der rote Tiger scheint seltsam zahnlos zu sein und die neoliberale Einheitspartei fürchtet ihn deshalb auch nicht.

Ungleichgewicht im Engagement

Ein zweiter Punkt ist ebenso zu berücksichtigen: Mit der Einführung des grundgesetzwidrigen Hartz-Regimes wird erstmals seit 1949 wieder eine Minderheit, die Minderheit der Mittellosen PER GESETZ von wesentlichen Menschen- und Bürgerrechten abgeschnitten und einer gigantischen gesellschaftlichen und sozialen Zwangsexclusion unterzogen. Unsere Partei ist als antifaschistisch gekennzeichnet. Das menschenverachtende, gesetzlich legitimierte Vorgehen gegen eine Minderheit, dieser gegen sie ausgeübte, selbst die Kinder nicht verschonende Terror, gipfelnd in verfestigter Armut, unter dem Druck einer oft willkürlich agierenden Verfolgungsbetreuung bei, den Betroffenen wahrheitswidrig unterstellter Selbstverantwortung der Situation, müsste jeden Antifaschisten und jede Antifaschistin in unserer Partei auf den Plan rufen. Nichts ist davon zu sehen. Wenn drei oder vier vom Verfassungsschutz bezahlte NPD-T-Shirts am U-Bahn-Eingang in Berlin auftauchen, stehen sie und das ist richtig so, zu Hunderten auf der Straße. Auch Asylbewerberinnen und -bewerber genießen, berechtigter Weise große Solidarität. Wo bleibt diese große Empörung, dieser große solidarische Protest in Bezug auf das Hartz-Regime? Woher kommt dieses Ungleichgewicht im Engagement? Gibt es da etwa unterschiedlich gewichtete Gruppen von Verfolgten und unterschiedlich gewichtete Gruppen von Täterinnen und Tätern? Das wäre wohl eher ein neoliberales, als ein linkes Denken. Ich behaupte: Ein Mensch, der Sympathie für die Hartz-Gesetzgebung empfindet, kann kein Antifaschist sein! Es ist ein Widerspruch, mit einem solchen Menschen gegen NPD-Aufmärsche zu demonstrieren. Ein Mensch, der den Hartz-Terror gegen die Minderheit der Mittellosen für eine diskutable Ungerechtigkeit hält, sie also, als vom Grundgesetz gedeckt empfindet und ein Hartz-IV-light anstrebt, muss seine antifaschistische Gesinnung zumindest ernsthaft überdenken.
Die Agenda 2010 war und ist ein massiver Anschlag auf das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und den demokratischen Rechtsstaat. Sie ist nur mittelbar gegen die Erwerbslosen gerichtet. In erster Linie richtet sie sich gegen die Erwerbstätigen im Lande. Vor allem sie sollen Angst vor dem Terror-Regime verspüren, von welchem sie, nach dem Verlust des Arbeitsplatzes, nur zwölf Monate entfernt wären, sie sollen sich ducken und es akzeptieren, wenn es darum geht, immer mehr Leistung und Selbstbeschränkung für immer weniger Lohn oder Gehalt zu erbringen. Allen zusammen, den Mittellosen und den Mittelschwachen, den Erwerbslosen und den prekär Beschäftigten soll, zugunsten privater Profite, auch das letzte Quentchen Arbeitskraft und Lebenszeit abgepresst werden. DAS und NICHTS ANDERES IST HARTZ IV!
Befremdlich, das die Gewerkschaften bis heute vorgeben, dies nicht erkennen zu können. Hartz IV ist objektives Unrecht! Um ein Unrecht kann es also keine Meinungsverschiedenheit geben. Unrecht ist ohne wenn und aber zu beseitigen.

Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos

Es zeigt sich, dass eine funktionierende BAG Hartz IV in und bei der Partei DIE LINKE eine wesentliche innerparteiliche Kraft, fern verfestigter Strömungen sein könnte, die es ermöglicht, DIE LINKE als ernsthafte, sozialistische Alternative zum neoliberalen Mainstream für alle Entrechteten, Ausgegrenzten und Abgezockten der Gesellschaft zu entwickeln und darzustellen. Diese Noch-Minderheit entwickelt sich zunehmend zu einer Mehrheit in Deutschland. Es wird an uns liegen, unser Gedankengut in die Partei zu tragen, um sie zu einem beachtenswerten Bollwerk gegen die immer weiter um sich greifende Menschenverachtung aus Profitinteresse, welche die Diktatur der Finanzmärkte erzwingt, zu machen. Die Tatsache, dass der Neoliberalismus immer offener sein wahres Gesicht zeigt, es ohne Not und Gefährdung zeigen kann, sollte uns alle mahnen, dass wir nicht mehr weit vom “Point-Of-No-Return” entfernt sind. Sollte er in Kürze überschritten werden, dann ist für alle Mittellosen und Mittelschwachen in Deutschland und Europa am Fünfzehnten der Erste. Auch innerhalb der Partei übrigens. Wir müssen handeln: JETZT!
Darüber wird zu diskutieren sein: Wie bringen wir die Darstellung der großen Tragweite dieses, die Grundlagen des demokratischen Rechts- und Sozialstaates zerstörenden und damit alle gesellschaftlichen Zustände berührenden Hartz-Terrors gegen die Minderheit der Mittellosen, seine Auswirkungen auf alle Erwerbstätigen, seine Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft, auf die Kultur, vor allem jedoch, auf das humanistische Denken der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands in die Partei? Da wird Kreativität gefragt sein.
Insofern durchströmt mich aufgrund der Anordnung der Bundesschiedskommission momentan ein intensives Hau-Ruck-Gefühl, dass einen massiven Einfluss auf meine, seit langem bestehende, mentale Befindlichkeit auszuüben scheint. Mein, von Georg Danzer übernommener Wiener Standpunkt: “Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst” wandelt sich, in Bezug auf die Partei zumindest, in das gewöhnliche: “Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos!” Auch mal ein gutes Gefühl gewöhnlich zu empfinden…