Die LAG Hartz IV Berlin lehnt die Koalitionsvereinbarung ab

Die Mitgliederversammlung der LAG Hartz IV hat am 25.11.2016 die vorliegende Koalitionsvereinbarung diskutiert und ist mehrheitlich der Meinung, dass dieser unter dem Gesichtspunkt Soziales und Arbeit, insbesondere aus Sicht der Langzeiterwerbslosen, trotz unbestritten guter Ansätze in anderen Bereichen, nicht zugestimmt werden kann.

Die Gründe lassen sich beim Vergleich des Wahlprogramms mit der Koalitionsvereinbarung im Wesentlichen an folgenden 5 Punkten erläutern

Zwangsumzüge

Zum Thema Wohnaufwendungsverordnung (WAV) fordert DIE LINKE im Wahlprogramm ein Ende der Verdrängung von Hartz-Betroffenen aus ihrem sozialen Umfeld. Aus dem Wahlprogramm:

Wir wollen, dass auch Menschen mit Transfereinkommen in ihrem Wohnumfeld bleiben können und nicht durch Mietsteigerungen aus ihren Kiezen vertrieben werden.

 und

Aufforderungen zur Senkung der Wohnkosten dürfen nur erfolgen, wenn im Wohnumfeld der Betroffenen den festgelegten Mietobergrenzen entsprechender freier Wohnraum vorhanden ist. Den Nachweis hierüber haben die Jobcenter bzw. andere kommunale Stellen zu erbringen. Als Wohnumfeld gilt die Möglichkeit, ohne große Aufwendungen bestehende soziale Kontakte aufrechtzuerhalten. Die Kriterien hierfür sind in der Wohnaufwendungsverordnung (WAV) festzulegen. Als Kriterium hierfür kann zum Beispiel der Einzugsbereich von Allgemeinbildenden Schulen gelten.

In der Koalitionsvereinbarung hierzu: nichts!

Öffentlich finanzierte oder geförderte Beschäftigung

Es gab im Vorfeld zum Wahlprogramm Arbeitsgruppen, die über Monate ein Papier „Gute Arbeit für Berlin“ entwickelten. Im Wahlprogramm fordert DIE LINKE hierzu:

Wir werden uns weiterhin für eine Wende in der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik einsetzen, hin zu langfristig öffentlich geförderten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsmaßnahmen zu tariflichen Bedingungen und auf freiwilliger Basis. In Berlin wollen wir ein Landesprogramm »Gemeinwohlarbeit« umsetzen. Hier sollen Arbeitsplätze geschaffen werden, die der Stärkung des sozialen Zusammenhalts dienen. Diese Arbeitsplätze müssen tariflich entlohnt werden. Sofern keine tarifliche Bindung besteht, soll sich die Bezahlung an vergleichbaren Tarifen in der Branche orientieren, der Mindestlohn darf nicht unterschritten werden. Für Langzeiterwerbslose können damit neue berufliche Perspektiven eröffnet werden.

und

Wir wollen eine Arbeitsmarktpolitik, die aktiv Chancen für Langzeiterwerbslose eröffnet – der ÖBS (öffentlich geförderte Beschäftigungssektor) war hier beispielhaft.

und

Im Rahmen der Investitionsoffensive wollen wir öffentliche Ausschreibungen mit der Verpflichtung verbinden auch Langzeiterwerbslose und Geflüchtete unbefristet einzustellen. Die Unternehmen würden dann für ein Jahr einen Einarbeitungs- und Qualifizierungszuschuss erhalten.

und

Wir wollen eine Qualifizierungsoffensive für Geflüchtete und Langzeiterwerbslose. Dafür wollen wir die von uns vorgeschlagene Investitionsoffensive mit einem Landesbeschäftigungsprogramm verbinden.

In der Koalitionsvereinbarung hierzu: nichts!

Integration Langzeiterwerbsloser in den Öffentlichen Dienst

Das Konzept der LAG Hartz IV sah hier eine landeseigene Gesellschaft vor, die Langzeiterwerbslose ausbildet bzw. umschult mit dem Ziel einer Jobgarantie im Öffentlichen Dienst.

Im Wahlprogramm fordert DIE LINKE:

Und wir wollen in der öffentlichen Verwaltung eine Qualifizierungsoffensive auch für Langzeiterwerbslose. Für letztere müssen die landeseigenen Unternehmen sowie der Öffentliche Dienst – ob in Verwaltung, Kitas, Schulen oder Krankenhäusern – im Rahmen einer Qualifizierungsoffensive neue Perspektiven öffnen.

und

Wir schlagen ein langfristiges Investitionsprogramm in die öffentliche Infrastruktur vor, verknüpft mit einem Beschäftigungsprogramm für Langzeiterwerbslose und geflüchtete Menschen.

und

Die Chancen auf sinnvolle Qualifizierungen und existenzsichernde Arbeit werden immer geringer. Dagegen setzen wir eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsoffensive für Langzeiterwerbslose, um für sie Perspektiven im öffentlichen Dienst zu schaffen.

In der Koalitionsvereinbarung hierzu: nichts!

Ausweitung Berlinpass

Die LAG Hartz IV wollte eine Ausweitung der Berechtigung zum Berlinpass auf alle Einkommensgruppen unterhalb der von der LINKEN geforderten Mindestsicherungshöhe von 1.050 Euro.

Im Wahlprogramm fordert DIE LINKE hierzu:

Wir wollen den Kreis der Berlin Pass-Berechtigten ausweiten

und

Wir wollen uns dafür einsetzen, dass der BerlinPass auch von denjenigen genutzt werden kann, die Wohngeld beziehen.

In der Koalitionsvereinbarung hierzu: nichts!

Mindestlohnhöhe bei Öffentlichen Aufträgen

Im Entwurf zum Wahlprogramm wurde eine schnelle Anhebung des Mindestlohns bei der Vergabe Öffentlicher Aufträge auf 10 Euro gefordert. Auf Antrag der LAG Hartz IV analog zur Bundesforderung beschloss der Landesparteitag die Formulierung im Wahlprogramm:

Wir wollen den Mindestlohn schnell auf zehn und bis 2017 auf 12,50 Euro erhöhen.

In der Koalitionsvereinbarung hierzu: nichts!

Selbstverständlich ist uns klar, dass in einer Koalition nicht alle Forderungen durchgesetzt werden können. Aber in dieser Vereinbarung ist kein einziger Aspekt für Langzeiterwerbslose aus unserem Wahlprogramm enthalten. Uns drängt sich angesichts der Tatsache, dass das Senatsressort künftig von der LINKEN geführt wird, der Eindruck auf, dass hier Positionen für Posten aufgegeben wurden.

Das Kernthema der LINKEN „Soziale Gerechtigkeit“ findet sich in der vorliegenden Koalitionsvereinbarung nicht annähernd in notwendigem Umfang, der für eine Regierungsbeteiligung der LINKEN Voraussetzung wäre, wieder. Dies zeigt sich auch in der erschreckenden Tatsache, dass der Punkt „Armut bekämpfen“ den Koalitionären gerade mal  ½  von 292 Seiten wert ist.