EU verabschiedet sich vom Recht auf Asyl

Abschottung um jeden Preis

Angela Merkel nennt es einen Durchbruch für eine europäische Lösung der Flüchtlingsfrage. Der türkische Vorschlag, der vorab unter Anderem mit Merkel abgestimmt wurde, sieht vor, alle in Griechenland ankommenden Flüchtlinge ohne Ansehen der Person und der Fluchtgründe zurück in die Türkei zu schicken. Im Gegenzug werden von den türkischen Behörden ausgesuchte syrische Flüchtlinge ins Flugzeug gesetzt und nach Griechenland verfrachtet.

Die zurückgeschickten Flüchtlinge werden, wenn sie Syrer sind, in der Türkei in Flüchtlingsheime verbracht, wenn sie einer anderen Nation angehören, in ihre Heimatländer zurückgeschickt. Das sieht das Papier vor, dass in der nächsten Woche auf einem Gipfel beschlossen werden soll. Menschen werden so zur Verschiebemasse.

Was das aber in der Praxis bedeutet, sei an einem Beispiel erläutert. Ein Blogger aus Saudi-Arabien, der in seiner Heimat mit langjähriger Haftstrafe und körperlicher Züchtigung rechnen muss und ein Kurde, der auf einer Fahndungsliste der türkischen Polizei steht, weil er gegen die Regierung protestiert hat, werden in Griechenland aufgegriffen, als sie in einem europäischen Land Asyl suchen. Ohne Prüfung ihres Einzelfalles werden sie in die Türkei abgeschoben und dort von der Polizei festgenommen. Der Kurde landet in einem türkischen Gefängnis und wird nach aller Erfahrung dort gefoltert, bevor er eine lange Haftstrafe abzusitzen hat. Der Blogger wird nach Saudi-Arabien ausgeliefert, wo ihn neben 1.000 Peitschenhieben ebenfalls eine langjährige Haftstrafe erwartet. Eine Vorgehensweise, die vom Territorium der EU nicht möglich wäre.

Genfer Flüchtlingskonvention wird zur Farce

So wählt man den Umweg über den sicheren Drittstaat Türkei, wie ja ohnehin die „sicheren“ Drittstaaten nahezu wie Pilze aus dem Boden schießen, um auch aus Europa direkt abschieben zu können.

Und das soll ein Durchbruch im Sinne der Wertegemeinschaft der Europäischen Union sein?

Das ist die Aushebelung jeglichen Asylrechts, der Europäischen Menschrechtskonvention und der Genfer Flüchtlingskonvention. Letztere hat die Türkei zwar unterschrieben, aber nur mit dem Zusatz, dass sie keine nichteuropäischen Flüchtlinge als Konventionsflüchtlinge anerkennen/ aufnehmen. Wohl aber haben alle Staaten der EU mit Ausnahme von Malta und Ungarn, welche die gleiche Einschränkung haben wie die Türkei, dieses Abkommen uneingeschränkt unterschrieben. Alleine aus diesem Grunde verbietet sich ein solch brutaler Kuhhandel mit der Türkei.

Im Gegenzug erhält die Türkei Visaerleichterungen für ihre Staatsbürger, eine Forcierung der Beitrittsverhandlungen und 6 Milliarden Euro. Angeblich, weil die Türkei so viele Flüchtlinge aufgenommen hat, so dass sie dafür finanziell unterstützt werden muss. Wäre dies der Grund, stellt sich die Frage, warum man das nicht schon früher getan hat. Und warum werden Jordanien und Libanon nicht finanziell unterstützt? Nein, diese 6 Milliarden sind der Blutzoll für die Abschottung und die Abschiebung aller nichtsyrischen Flüchtlinge, ungeachtet der Folgen für diese Menschen.

Menschen werden zu Welle und Krise

Wie in der Flüchtlingsfrage gehandelt wird, zeigt sich bereits am Sprachgebrauch. Da ist von „Flüchtlingswelle“ die Rede, als ob ein Tsunamie auf die europäischen Küsten zurollt, und nicht Menschen auf der Flucht vor Terror, Krieg und Tod einen sicheren Hafen suchen. Noch deutlicher wird es beim Begriff „Flüchtlingskrise“. Gemeint damit ist nicht etwa die Krise, in der sich diese Menschen befinden, die unfreiwillig ihre Heimat verlassen, auch nicht die Ursachen der Flucht; nein, die „Krise“ sind die Flüchtlinge.

Und wie verlogen die europäischen Lösungen der Flüchtlingsfrage sind, zeigt sich bereits an einem andern Beispiel. Mit Krokodilstränen werden die Bilder an der griechisch/mazedonischen Grenze bejammert. Doch wenn man die Sache nüchtern betrachtet, passiert an der deutsch/österreichischen Grenze exakt das Gleiche. Auch hier werden alle Flüchtlinge an der Grenze abgewiesen, die erklären, dass sie in einem anderen europäischen Land, wie zum Beispiel Schweden Asyl beantragen wollen, und nicht in Deutschland. In Mazedonien will ebenfalls kein Flüchtling Asyl beantragen, sondern nur durchreisen. Und in Mazedonien wie in Deutschland wird diesen Menschen die Einreise verweigert. Der einzige Unterschied besteht darin, dass es an unserer Grenze nicht diese schrecklichen Bilder gibt.

Als Résumé bleibt: Die Europäische Union ist nicht nur am Ende, sofern sie als Wertegemeinschaft gedacht war, sondern sie ist eine Vereinigung von Heuchlern, die Humanismus als Wert vor sich her tragen und doch nur eigene Interessen im Kopf haben, und dabei über Leichen gehen.