In den nächsten drei Jahren wird man vielleicht wissen, ob Alexis Tsipras letzte Nacht zum Verräter seiner eigenen Überzeugungen, seiner Partei und der griechischen Bevölkerung wurde, oder ob er zum Helden wird, der die Weichen gestellt hat, in absehbarer Zeit die wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit Griechenlands wiederherzustellen. Noch ist viel zu wenig bekannt über das geschnürte Paket, um eine fundierte Prognose abzugeben. Worüber sich in der letzten Woche viele Linke in Deutschland aufgeregt hatten, ist sicher nicht der Maßstab. Die geplante Rentereform, so es denn in diesem Punkt bei dem Vorschlag Griechenlands bleibt, bedeutet nämlich nicht, wie fälschlicherweise immer wieder angeführt, dass die Regelaltersgrenze auf 67 erhöht wird. Dies ist nämlich bereits jetzt der Fall. Vorgesehen ist, teilweise sehr eigenwillige, um nicht zu sagen unsinnige Regelungen für eine Frühverrentung abzuschaffen. Auch die angebotenen Mehrwertsteuererhöhungen werden sich nicht gravierend auswirken.
Bedenklicher ist da schon die Tatsache, dass eine Umschuldung, also weitere zeitliche Streckung der Rückzahlungen, offenbar ausgeschlossen wurde. Dieser Fakt lässt darauf schließen, dass das neue Hilfsprogramm wieder fast ausschließlich zur Tilgung von Schulden und Zinsen dient.
Einige Details aus der Pressekonferenzen, insbesondere der der deutschen Kanzlerin lassen aufhorchen. Die Frage eines Journalisten, ob denn bei einer Zwischenfinanzierung nur die Rückzahlung an die EZB berücksichtigt würde, die Griechen brauchten doch sicher mehr Geld, ließ sie gar nicht zu Ende aussprechen, sondern antwortete: „Wieso brauchen sie denn mehr Geld?“ Nach ihren Äußerungen hat sich Tsipras wohl auch verpflichtet, die Anfang des Jahres erlassenen Gesetze, die der Linderung der schlimmsten sozialen Auswirkungen der bereits erfolgten Kürzungen zu mildern, wieder zurück zu nehmen. Auf ihren Satz, dass eine Entpolitisierung der griechischen Administration ein Ziel sei, will ich nicht näher eingehen. Schließlich ist die Entpolitisierung ganz Europas ja ein Ziel des neoliberalen Kurses. Besonders bedenklich ist die Schaffung einer Treuhandgesellschaft in Luxemburg, in die Griechenland Staatseigentum im Wert von 50 Milliarden Euro übertragen soll. Diese, und nicht etwa Griechenland selbst, soll das Vermögen Griechenlands verscherbeln. Gerade in Deutschland klingeln alleine bei dem Wort Treuhand alle Alarmglocken. Die Geier, Profiteure, Betrüger und Schnäppchenjäger scharren sicher jetzt schon mit den Hufen. Wenn man weiß, was bei der Abwicklung des DDR-Vermögens übrig geblieben ist, kann man sich vorstellen, dass nach dieser Abwicklung nicht ein Bleistift mehr im Staatsbesitz Griechenlands verbleibt. Es wird voraussichtlich nicht einmal reichen, um die 12,5 Mrd., die hiervon für Investitionen vorgesehen sind, zu erreichen, da man sich vorstellen kann, dass die 37,5 Mrd. zur Schuldentilgung Vorrang haben.
Die Verpflichtung Griechenlands, Gesetze im Schweinsgalopp innerhalb von 2 Tagen durchs Parlament zu bringen, sei nur am Rande erwähnt. Das müsste man mal dem Bundestag als Verpflichtung aufgeben. Es gäbe einen Aufschrei über alle Parteien hinweg.
Keine Umstrukturierung der Schulden, Privatisierungen in Höhe von 37,5 Mrd. Euro durch die Eurogruppe, Rücknahme der Notgesetze, all dies deutet darauf hin, dass hier keine umfassende Lösung gefunden wurde, sondern der Status Quo aufrecht erhalten bleibt und sich nur Zeit gekauft wurde. Der Grund liegt auf der Hand: Im Falle einer Nichteinigung, wäre Griechenland aufgrund der hohen Rückzahlungen und der durch die EZB erzwungenen Schließung der Banken spätestens in ein paar Wochen zahlungsunfähig gewesen. Mit der Folge, dass die Bürgschaften der Euroländer fällig würden und sich in den Haushalten niederschlagen würden. Im Falle Deutschlands wären dies rund 80 Milliarden, womit es erst mal vorbei wäre mit der zum Selbstzweck ernannten „Schwarzen Null“.
Eine wirkliche Lösung kann nur sein, Gelder ins Land zu investieren, um der Wirtschaft überhaupt eine Chance zu geben, sich zu erholen, wieder zu wachsen, Steuereinnahmen zu generieren, die den Staatshaushalt ausgleichen und letztlich auch irgendwann die Schulden zurück zu zahlen.
Wie dies beim vorliegenden Hilfspaket nach den mir vorliegenden Informationen gelingen soll, dazu fehlt mir die Vorstellungskraft.
Ich wünsche Alexis, dass er dennoch einen Plan hat, bei dem dies gelingt. Und ich drücke ihm beide Daumen, dass er das griechische Volk wieder aus dem Elend befreit und zum Signal wird für Europa, die neoliberale Politik endlich zu beenden.