Frohburg 4 – Epilog

Wer geglaubt hatte, die unrühmliche Geschichte des alten Vorstandes der BAG Hartz IV hätte mit der deutlichen Abwahl in Hannover sein Ende gefunden, musste sich nun eines Besseren belehren lassen. Von allen unbemerkt hat es ein Verfahren vor der Bundesschiedskommission gegeben, das hoffentlich wohl als einmalig in die Geschichte der Partei eingehen dürfte.

Was macht ein Vorstand, wenn die Beschlüsse einer Delegiertenversammlung ihm nicht passen? Zähneknirschend eine Faust in der Tasche? Sein Verhalten ändern? Um Zustimmung unter den Mitgliedern werben? Weit gefehlt, der Sprecherinnenrat der BAG Hartz IV hatte eine neue Idee. Einfach die Beschlüsse durch die Bundesschiedskommision für unwirksam erklären lassen.

Wie das gehen soll? Ganz einfach: Zwei Mitglieder dieses Rates stellen den Antrag auf Unwirksamkeitserklärung der Beschlüsse. Wegen angeblicher Beteiligung von nicht Stimmberechtigten an den Abstimmungen. Antragsgegner ist die BAG, vertreten durch den Rat, also durch sich selbst. Und der Antragsgegner, also der Rat, stimmt dem Feststellungsantrag zu. Die Bundesschiedskommission reibt sich verwundert die Augen und überlegt, was zu tun sei.

Sie stellt fest: Nach dem Parteiengesetz sind zivilrechtliche Verfahrensgrundsätze den Verfahren vor den Parteigerichten zu Grunde zu legen. Dies umfasst daher auch die Dispositionsmaxime und den Verhandlungsgrundsatz. Hiernach liegt die Herrschaft über das Zivilverfahren bei den Parteien, also Kläger und Beklagte. Unabhängig davon, ob es sich um die gleichen natürlichen Personen handelt, da die Beklagte eine juristische Person ist. Der Zivilprozess wird durch den Verhandlungs- oder Beibringungsgrundsatz gestaltet. Danach ist es Sache der Parteien, die Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, auf die das Gericht seine Entscheidung stützen soll. Was die Parteien nicht vortragen, findet in der Entscheidung auch keine Berücksichtigung. Im Ergebnis bedeutet dies, dass das Gericht keine Prüfung unstreitigen Vortrages vornimmt. Und unstreitig war der Vortrag der Kläger, Manuela Karli und Torsten Schulte, dass die Beschlüsse nicht rechtens zustande gekommen seien, dadurch, dass die Antragsgegnerin, eine juristische Person, vertreten durch natürliche Personen, Manuela Karli, Torsten Schulte und Andere, dem Feststellungsantrag zugestimmt haben.

Der Schiedskommission war somit die Hände gebunden und sie musste dem Antrag stattgeben. Welche Möglichkeiten sich für Vorstände hierdurch ergeben, mag sich ein demokratisch denkender Mensch gar nicht ausdenken. An einem Beispiel sei die Ungeheuerlichkeit dieses Vorgehens aufgezeigt: Der Parteivorstand ist sich einig, dass die Bundeswehr in Syrien einmarschieren muss und beschließt diese Position. Auf dem anschließenden Bundesparteitag, also dem Souverän der Partei, wird ein Antrag vorgelegt, der das Gegenteil besagt. Dieser wird mit überwältigender Mehrheit angenommen. Das passt dem PV nicht und er beauftragt einige seiner Mitglieder, die Bundesschiedskommission anzurufen und zu beantragen, diesen Beschluss für unwirksam zu erklären. Begründung: Es hat ein Gast mit abgestimmt, oder es gab da gerade Durchzug. Die Beklagte, die Partei, vertreten durch den PV, stimmt dem Feststellungsantrag seiner eigenen PV-Mitglieder zu. Die Bundesschiedskommission stellt fest, wie im vorliegenden Fall: „Inwieweit sich diese unzulässige Teilnahme an der Abstimmung (oder der Durchzug) auf den konkreten Beschluss ausgewirkt hat, haben die Antragsteller nicht vorgetragen. Da jedoch der Antragsgegner dem Antrag zustimmte, bedarf dieser Punkt keiner weiteren Aufklärung.“ Ist dann die Mehrheit der Abgeordneten der BT-Fraktion der Meinung des PV, so können sie guten Gewissens für einen Kriegseinsatz stimmen, obwohl die Partei mit überwältigender Mehrheit dagegen ist.

Natürlich ist das Beispiel nur fiktiv, da weder der PV noch die BT-Fraktion für einen Kriegseinsatz wäre, aber es zeigt doch die Brisanz dieser Aushebelung jeglicher demokratischer Grundsätze. Und den Vertretern des letzten Bundessprecherinnenrates der BAG Hartz IV sei die Frage gestellt, ob sie sich nicht in Grund und Boden schämen.